geschrieben von Michaela Pilters
Christian Weisner, Mitinitiator des KirchenVolksBegehrens in Deutschland, Wir sind Kirche-Sprecher und freier Autor erinnert sich an Bischofssynoden und Begegnungen in Rom: „Abenteuer im Beruf“
„Nein, ich bin kein studierter Theologe“, antwortete ich Bischof Erwin Kräutler, als ich ihn im Taxi zum Studio von Radio Vatikan begleitete. Das war 2015, als Wir sind Kirche Mitveranstalter von zwei Konzilstagungen in der Casa Lassalle war. Als einer der Sprecher der KirchenVolksBewegung ist es aber vielleicht sogar von Vorteil, Theologie nicht studiert, sondern nur praktiziert zu haben. Und als studierter Stadtplaner war Bürgerbeteiligung, damals noch nicht in gendergerechter Sprache, schließlich schon Thema meiner Diplomarbeit.
Nach dem großen Erfolg des KirchenVolksBegehrens 1995 mit fast 2,5 Millionen Unterschriften im deutschsprachigen Raum wurde dann im November 1996 in einem römischen Kindergarten die internationale Bewegung Wir sind Kirche gegründet. Damals war kirchenreformerisches Denken in Rom noch ein großes Tabu. Unsere Begleitveranstaltung zur römischen Bischofssynode 1999 musste in den römischen Vorort Santa Severa ausweichen. Aber deutsche Presseleute nahmen den Weg auch dorthin auf sich. Das ZDF filmte unseren Gottesdienst am Strand, dort wo das christliche Mädchen Severa, (die spätere Ortspatronin), 298 n. Chr. ihr Martyrium erlitten haben soll.
Spontaner Gesang in der Patriachalbasilika San Paulo fuori la mura – ein symbolischer Ort für Kirchenreform, vor 62 Jahren kündigte Johannes XXIII. dort das Konzil an; inspirierende Gottesdienste in der nahen Comunità Cristiane di Base mit dem ehemaligen Abt Giovanni Franzoni; ein vielsprachiger Gottesdienst in einer offenen Markthalle auf dem Gemüsegroßmarkt; Schatten-Synoden in der Facolta Val-dese; offene Gespräche in der deutschen Botschaft; spontane Treffen im Ristorante La Vittoria ganz in der Nähe des Petersplatzes: dies sind nur einige der unvergesslichen Begegnungen auf meinen Romreisen.
Mit Schattensynoden hat Wir sind Kirche alle Bischofssynoden kritisch-konstruktiv begleitet. Für „Publik-Forum“ und „Kirche In“ konnte ich aus der Sala Stampa berichten. Unsere vielleicht sichtbarste Aktion in Rom war, als wir mit gelben und lila Luftballons die Abschlussbotschaft der Kirchenvolks-Synode im Oktober 2001 dem Sekretär der Bischofssynode in der Via della Conciliazione überbrachten. Anschließend ließen wir die Botschaft mit Helium gefüllten Luftballons auch gen Himmel steigen. Der Kriegsbeginn in Afghanistan verhinderte, dass diese Bilder in den Abendnachrichten gesendet wurden.
Zum Konklave im März 2013 hatten wir uns extra in einem Hotel in Vatikan-Nähe einquartiert, um nach dem weißen Rauchzeichen schnell genug am Petersplatz sein zu können. Kardinal Jorge Mario Bergolio hatten damals nur sehr wenige auf ihrer Liste, ich auch nicht. Die vielen Medienanfragen konnte ich dann erst am nächsten Tag bedienen, da das Handy-Netz auf dem Petersplatz vollkommen überlastet war.
Als zum fünften Jahrestag dieses Pontifikats mich mehrere theologische (!) Journale um Artikel baten, wählte ich den Titel „Wendezeit für die römische Kirche“. Die 1995 beim KirchenVolksBegehren in Österreich formulierten Themen stehen jetzt ganz offiziell auf der Agenda des Synodalen Weges in Deutschland. Doch es gibt auch heftigen Gegenwind in Deutschland wie in Rom. Eine nicht einfache Situation für die katholische Publizistik, kritisch und loyal zugleich zu sein. Aber solange die Themen des Synodalen Weges nicht wirklich bearbeitet werden, werden alle noch so gut gemeinten Bemühungen der Evangelisierung nach außen ins Leere laufen. Helfen wir Papst Franziskus, der eine synodale Kirche auf allen Ebenen will.