Regionalgruppen

Klein-Istanbul am Rhein

| 4 min Lesezeit

Klein-Istanbul am Rhein

geschrieben von GKP

Mitglieder der Region Rheinland besuchten eine Moschee in der Kölner Keupstraße

Nachdem im vergangenen Jahr der Besuch einer jüdischen Synagoge auf dem Programm der Region Rheinland gestanden hatte, kam der Wunsch auf: Lasst uns doch in diesem Jahr eine Moschee besuchen und mit Glaubensvertretern des Islams sprechen. Doch welche Moschee-Gemeinde kam infrage? In der aufgeheizten politischen Debatte sollte es auf keinen Fall die neue große und architektonisch herausragende DITIB-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld sein. Ganz bewusst zogen wir daher am 3. Juli ans andere Ende der Stadt – in die wegen des Terroranschlags des NSU 2004 zu trauriger Bekanntheit gelangte Keupstraße in Mülheim. Dort besuchten wir die vergleichsweise kleine und in einem Hinterhof gelegene als liberal und unabhängig geltende ZKB e.V. Ömer-ul Faruk Moschee.

In Mülheim im Osten Kölns haben rund 70 Prozent der Bewohner eine Migrationsgeschichte. Darum kennt man das Viertel seit langem unter dem Namen Klein-Istanbul. Beim Bummel durch die sommerliche und orientalisch duftende Keupstraße informierte uns Rabeya Müller über islamisches Leben in Deutschland. Die ehemalige Katholikin und heutige Islamwissenschaftlerin und Imamin in der Lutherkirche in der Südstadt ist zugleich Bildungsreferentin des Zentrums für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung sowie Vorstandsmitglied im Liberal Islamischen Bund. In der Keupstraße ist sie gern gesehener Gast und hat bereits viele Gruppen durch die belebte und dennoch gemütlich-familiäre Straße geführt. Hier reihen sich unzählige Restaurants, Bäckereien, Frisör-Salons und Bekleidungsgeschäfte aneinander. Einmal im Jahr wird die Straße zum hundert Meter langen Bankett, wo bei einem interreligiösen Fest mehr als tausend Menschen die Gastfreundschaft der Anwohner erleben. Rabeya Müller zeigt uns den Ort des Nagelbomben-Anschlags und macht uns auch auf den in die Straße eingelassenen Engel der Kulturen mit dem Schriftzug „Birlikte – Zusammenstehen“ aufmerksam, den der NRW-Landtag 2014 stiftete.

Vor der Moschee empfängt uns das ehrenamtliche Vorstandsmitglied Ahmet Erdogan. Wir ziehen die Schuhe aus und betreten den mit großen Teppichen ausgelegten Gebetsraum, an dem sich beim wöchentlichen Freitagsgebet mehrere Hundert Muslime versammeln. Zu den sonstigen fünf täglichen Gebetszeiten sind es rund 80 Gläubige. „Auch der Islam tut sich schwer damit, junge Leute für sich zu begeistern“, berichtet Erdogan. Die größtenteils türkische Gemeinde organisiert Nachhilfe- und Sprachkurse und betreibt einen kleinen Supermarkt. Dieses Geschäft sowie Spenden- und Mitgliedsbeiträge sind das finanzielle Polster der Gemeinde.Draußen auf den gepolsterten Sitzbänken im Hinterhof wird uns heißer Tee serviert. Rabeya Müller und Ahmet Erdogan stellen sich noch einmal den Fragen der GKP-Mitglieder. So erfahren wir, dass sich die ehemalige Katholikin nach dem Abitur auf Glaubenssuche bei den anderen Weltreligionen begeben hat. Sie habe schon immer Probleme mit der christlichen Passionsgeschichte gehabt und sei dann „beim Islam hängengeblieben“, wo sich ihr Blickwinkel auf Jesus verändert habe, der ja auch im Koran eine wesentliche Rolle spielt. Außerdem habe es sie beeindruckt, dass Muslime keinen Vermittler zwischen sich und Gott brauchen. Der Islam, so betonen Müller und Erdogan übereinstimmend, sei eine Weltreligion, die nicht an einen Staat gebunden ist und daher auch nicht von einem Staat für sich politisch vereinnahmt werden kann. Die fehlgeleitete Sexualität von Kriminellen wie etwa in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln sei ein ethnisches, und keineswegs ein religiöses Problem. Beide beklagen die über Jahrzehnte falsch gelaufene und nicht ausreichende Integrationsarbeit und fordern einen intensiveren Politik-Unterricht an deutschen Schulen, bei dem die wichtige und großartige Rolle des Grundgesetzes für alle in Deutschland lebenden Menschen vermittelt werden müsse. Sowohl Müller als auch Erdogan sind sich sicher, dass Deutschland den Zuzug von Flüchtlingen in den vergangenen Jahren ohne weiteres verkraften kann: „Wir können das schafften, wenn wir Schulter an Schulter zusammenstehen.“Christiane Limberg