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Lernprozesse eines Kirchenmanns

| 7 min Lesezeit

geschrieben von GKP

Nachts um vier Uhr wacht er bisweilen auf. Eine E-Mail ist noch nicht beantwortet. Da wartet noch jemand auf einen Anruf. Sonst noch was vergessen? Peter Birkhofer hat derzeit sehr viel um die Ohren. Er bereitet den Papstbesuch in Freiburg vor. Beworben hat er sich um diese Aufgabe nicht. Erzbischof Robert Zollitsch hat den Mann aus der Freiburger Kirchenverwaltung im Dezember mit der Aufgabe betraut. Seitdem kümmert sich der Domkapitular um Parkplatzmanagement, Hotelkapazitäten, Sicherheitskonzept. „Ich lerne gerade jeden Tag etwas Neues hinzu“, sagt er über sein derzeitiges Amt. Elf Kollegen der GKP-Region Südwest und des Ökumenischen Presseclubs Baden-Württemberg besuchten Birkhofer Mitte Juli im Ordinariat in Freiburg.
Jeden Tag etwas Neues. Freilich zu dem Preis, dass Birkhofer mit seinen sechs Mitarbeitern tagtäglich an die Grenze dessen kommt, was er für zumutbar hält. Der erste Besuch eines Paptes in Freiburg soll am 24. und 25. September möglichst problemlos über die Bühne gehen. Dazu gehören hohe Sicherheitsauflagen. Seit der Loveparade in Duisburg kann ein Großereignis nicht mehr so geplant werden wie früher. Die Einschränkungen sind enorm. Etwa wenn das Kirchenoberhaupt am Samstagnachmittag auf den menschenvollen Münsterplatz treten wird. Zwei enge Gassen, die vom Münsterplatz wegführen, müssen frei bleiben, damit sie als Fluchtweg genutzt werden können. „Den Papst kriegen wir schnell vom Gelände weg. Aber die 3 000 auf dem Münsterplatz müssen ja auch irgendwohin, wenn eine Panik ausbrechen sollte“, skizziert der Geistliche im Gespräch mit der GKP das Sicherheitsproblem. Trotzdem: Birkhofer ist froh, dass die Auflagen in Sachen Sicherheit so streng sind. „Ich möchte nicht vor die TV-Kameras treten und sagen müssen: Allen Warnungen zum Trotz haben wir die Veranstaltung mit lässigen Sicherheitsstandards durchgezogen“, betont Birkhofer. In seinen Gesprächen mit der Polizei hat er auch gelernt, dass es sicherheitstechnisch gut ist, wenn die Geschäfte an jenem Samstag offenbleiben. Wenn Benedikt XVI. mit dem Papamobil durch die Kaiser-Joseph-Straße fahren wird, können die Menschen im Falle einer Massenpanik in die Geschäfte rein und zum Hinterausgang wieder raus. Fluchtweg über den Freiburger Einzelhandel.
Über ein Thema der Vorbereitung redet Birkhofer mit uns GKPlern nicht so gerne: über das liebe Geld. Was genau der Besuch kosten wird, könne er jetzt noch nicht abschätzen. Allein: Die Ausgaben seien sehr hoch. „Die Nullen vor dem Komma sind manchmal sehr viele“, sagt er zu Kostenposten. Auch zu solchen, mit denen er vor der Planung nicht unbedingt rechnen konnte. Zum Beispiel für die Kampfmittelbeseitigung auf dem Freiburger Flughafengelände. Wo der Papst am Sonntag den Hauptgottesdienst halten wird, befand sich im Zweiten Weltkrieg eine Flugabwehr-Station, die von alliierten Bomben zerstört wurde. Man hat den Kirchenleuten zur Auflage gemacht, das Gelände untersuchen zu lassen. Die Spezialisten haben nichts gefunden. Das war zwar teuer. Dafür hat man nun in Freiburg Gewissheit, dass das Gelände ungefährlich ist.
Birkhofer räumt gegenüber den GKP-Mitgliedern Probleme bei der Organisation ein. Das Anmeldeverfahren verläuft schleppend. Nicht ohne Grund fahren Werbemobile in Baden herum, um auf den Besuch des Kirchenoberhaupts aufmerksam zu machen. Der Anmeldeschluss wurde inzwischen komplett fallengelassen. Wer sich bis Mitte September für den Gebetsabend am Samstag oder den Gottesdienst am Sonntag anmeldet, erhält Zugang zu dem Gelände. Auch noch am Veranstaltungstag selbst wird es für Kurzentschlossene Einlasskarten geben. Birkhofer führt den bisher mauen Zuspruch zu Teilen auf die „badische Gemütlichkeit“ zurück. Man melde sich nicht sechs Monate vor einem Ereignis an, sondern warte ab. Die Erklärung greift ihm aber zu kurz. Es gibt das Problem der Pfarrbüros. „Die Idee, dass unsere Pfarrgemeinden die Agenturen für die Karten sind, funktioniert nicht so, wie wir uns das gedacht haben“, räumt der Kirchenmann aus Freiburg ein. Die Pfarrbüros sind in der Regel nur noch selten besetzt. Die Sekretärin ist möglicherweise nur einmal die Woche da, wie soll sie sich da um die Anmeldekarten für die Freiburger Riesenmessen kümmern?
Birkhofer ist da mittendrin in der Strukturdiskussion, die den Katholiken hierzulande zu schaffen macht. Derzeit liefen viele Themen parallel. Als da wären: Dialogprozess nach dem Missbrauchsskandal, Zusammenlegung der Gemeinden zu Seelsorgeeinheiten, Katholikentag in Mannheim 2012, und das „normale gemeindliche Leben, das sowieso läuft“. All das koste viel Kraft. Und dann noch ein Papstbesuch? „Das Thema Seelsorgeeinheiten ist den Leuten einfach näher als die Frage, ob sie einen Stuhl auf dem Gottesdienstgelände mit dem Papst kriegen“, sagt der Planer nüchtern.
Birkhofer hat in den vergangenen Wochen auch lernen müssen, Berichte zu dementieren. Immer wieder tauchen „teils irritierende Meldungen“ auf, bei denen es ihm Mühe macht, sie wieder zurechtzubiegen. Der 46-Jährige übt sich als Dementiermaschine. Nein, es werde auf dem Messegelände kein unterirdischer Operationssaal gebaut. Nein, es müsse kein Maurer kommen, um das Priesterseminar, in dem Benedikt schlafen wird, umzubauen. Er bringe nur einige Utensilien mit, um eine Kapelle einzurichten. Auch ansonsten sei der Papst bescheiden. Was das Essen angeht: Extrem bescheiden. Nein, die Busse müssten am Sonntag nicht um sechs Uhr an Ort und Stelle sein. Es reicht auch noch später.
Birkhofer hat sich um den Job nicht beworben. Er weiß aber schon, warum ihn Zollitsch im Winter gefragt hat. Schließlich war der Kirchenmann, der hauptberuflich junge Männer zum Priesteramt motivieren soll, im Vorbereitungsteam dabei, als es um den Weltjugendtag 2005 in Köln ging. Damals kam der deutsche Papst kurz nach seiner Wahl erstmals in seine Heimat.
Im Vatikan hat man zur Jahreswende etwas gelächelt und den Freiburgern Mut zugesprochen. So einen Papstbesuch, haben die Vatikan-Mitarbeiter Birkhofer gesagt, „das kriegt Ihr auch hin, das schaffen wir ja in jeder italienischen Stadt“. So eine Mega-Aufgabe schweiße die zusammen, die mit dem Ereignis betraut sind. Stadt, Land, Polizei: Birkhofer hat spannende Gespräche geführt über den jeweiligen Blickwinkel auf das Großereignis. Oft werde er gefragt, ob er sich auf den 26. September freue. Auf den Tag, an dem alles vorbei ist. Auf das Leben nach dem Papstbesuch, nach dem großen Stress. Mal wieder durchschlafen, mal nicht mehr unentwegt an unbeantwortete E-Mails denken. „Nein“, sagt Birkhofer. „Ich freue mich auf den 24. September. Dann gibt es nichts mehr vorzubereiten. Dann können wir feiern: den Besuch, die Begegnung mit dem Papst und den Gästen in Freiburg.“ An jenem Samstag kann er nichts mehr zum Gelingen oder Misslingen beitragen. Er wird dann auf gutes Wetter hoffen und darauf, dass der Besuch nachklingen wird. Wie wäre es, überlegt der Koordinator, wenn sich Jugendliche für den Palmsonntag 2012 wieder in Freiburg verabreden, um so ein Gemeinschaftserlebnis noch einmal zu erleben? Das ist dann aber nicht mehr seine Aufgabe. Die E-Mails dazu müssen andere schreiben.