geschrieben von Nicole Stroth
„Wir müssen nicht alles verstehen, was der andere macht. Viele schütteln bestimmt den Kopf, warum ich fünf Geschirrsets besitze, damit alles koscher ist. Das muss auch nicht jeder verstehen. Aber es ist wichtig, voneinander zu wissen und sich gegenseitig zu respektieren.“ Damit sei schon viel erreicht, so Dinah Zenker von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die 20 Teilnehmende der GKP-Regionalgruppe am 30. September 2024 durch die Ohel-Jakob-Synagoge führte. Nach ein paar architektonischen Erklärungen ging es vor allem um die jüdische Glaubenspraxis und den Alltag der orthodoxen Gemeinde.
Zenker stellte dabei die Bedeutung der Tora heraus – „als Gebrauchsanweisung fürs Leben“. Doch die Tora sei noch mehr als das, wie ein Zitat von Heinrich Heine unterstreiche. Der jüdische Schriftsteller bezeichnete sie 1840 als tragbares Vaterland. Denn ein anderes Vaterland besaßen die Juden nicht, wurden sie doch immer wieder durch antisemitisch motivierte Vertreibung zu Ortswechseln gezwungen.
Während der Führung wurde deutlich, welch hohen Stellenwert das Erinnern in der jüdischen Kultur hat. Die Menora in München hat beispielsweise statt sieben nur sechs Arme – in Erinnerung an die sechs Millionen Opfer des Holocaust. In der Mitte der Menora ist ein abgebrochener siebter Arm zu sehen – für all diejenigen, die nicht mehr geboren werden konnten.
Ebenso eindrücklich ist der unterirdische „Gang der Erinnerung“, der die Synagoge mit dem Gemeindezentrum verbindet. Auf drei übereinandergelegten, beleuchteten Glasplatten stehen 4.500 Namen von Münchener Juden, die während der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden.
Doch es ging nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Sorgen angesichts des Nahost-Krieges und die Bedrohungen in Deutschland. Dinah Zenker berichtete, dass sich einige Gemeindemitglieder die Jüdische Allgemeine nur noch in einem neutralen Umschlag per Post zuschicken lassen, weil sie Angst davor haben, wenn die Zeitung für alle sichtbar in ihren Briefkasten geworfen wird.
Auch die Sicherheitskontrollen vor der Besichtigung der Synagoge sowie die ständige Präsenz von Sicherheitsleuten im Gemeindezentrum zeugen davon, dass jüdisches Leben immer noch Gefahren ausgesetzt ist.
Die Freude am Jüdischsein trübe das allerdings nicht, so Zenker. „Wir wollen eine lebendige und warmherzige Gemeinde sein. In der Mitte der Stadt München.“