geschrieben von Andrea Kammhuber
Wenn „nie wieder- jetzt“ ist, dann ist der Film von Max Kronawitter über den Holocaust-Überlebenden Peter Gardosch ein „Muss“.
Dieser Film ist ein Porträt ohne moralischen Zeigefinder und der bleibende Auftrag an uns alle, dass sich ein solches Menschheitsverbrechen wie der Holocaust nicht wiederholen darf. Dazu müssen wir den Geschichten der Überlebenden zuhören.
Peter Gardosch, der Sohn einer gut situierten jüdischen Familie aus Siebenbürgen, hat eine glückliche Kindheit. 1930 geboren wächst er zusammen mit seiner kleinen Schwester Alice, Eltern und Großeltern in Neumarkt am Miresch auf. Im Frühjahr 1944, Peter Gardosch ist 13 ½, ändert sich für alle alles. Die jüdische Familie wird zunächst in eine alte Ziegelfabrik gesperrt, dann mit einem Güterzug nach Auschwitz deportiert. Direkt nach der Ankunft in Auschwitz werden Alice, die Mutter und die Großmutter aussortiert, vergast. Vater und Sohn überleben. Sie melden sich nach 19 grauenvollen Tagen freiwillig für ein Arbeitslager, werden ins Außenlager des KZ Dachau nach Kaufering gebracht. Hier müssen jüdische Häftlinge unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen Bunker für die Herstellung von Kampfflugzeugen bauen. Weil der junge Peter Deutsch spricht, wird er zum Gehilfen des Lagerkommandanten ausgewählt. „Wieder einmal hab ich Glück gehabt“, meint Peter Gardosch rückblickend. Im April 1945 lässt die SS das Lager räumen und schickt die Häftlinge auf die Todesmärsche. Vater und Sohn können fliehen und finden im Kloster Fürstenfeld Unterschlupf.
Nach Kriegsende holt Peter Gardosch in seiner Heimat das Abitur nach, wird Reporter, heiratet, wandert mit Frau und Kind nach Israel aus. Er kehrt bald wieder nach Deutschland zurück. Er baut sich eine Existenz auf, wird Unternehmer und glücklich. „Die Hitlerei“ sieht er als schlimme Krankheit. Über seine persönliche Geschichte hat der Auschwitz-Überlebende lange geschwiegen. Seiner zweiten Frau Ramona hat er erst sieben Jahre nach der Hochzeit von seiner Vergangenheit erzählt. Sie macht ihm Mut, die persönlichen Erinnerungen angesichts der Zunahme von völkischem Denken und Rassenhass öffentlich zu thematisieren. Seither geht er nach vorne, schreibt ein Buch, beantwortet Fragen von Jugendlichen, stellt sich Diskussionen. Doch seine Kräfte lassen nach.
Vor vier Jahren trifft er Max Kronawitter zum ersten Mal zu einem Interview in Berlin. Nicht alle Wünsche des Filmemachers kann er dann erfüllen, aber er reist noch einmal nach Kaufering, Fürstenfeldbruck, Ettal. Das entstehende filmische Porträt gefällt ihm. Mit 93 Jahren stirbt Peter Gardosch 2022.
Der Film über ihn ist fast fertig. Er ist eindrücklich, berührend, die Szenen passen sich behutsam dem Erzählen des Protagonisten an. Der Filmemacher verzichtet auf reißerische Effekte. Der bei den Dreharbeiten schon über 90 Jahre alte Peter Gardosch erzählt sehr präzise seine Geschichte, erschreckend sachlich, ohne „Täter“ zu dämonisieren, ohne nach Mitleid zu heischen. Das geht unter die Haut.
Max Kronawitter muss die Arbeiten an dem Film kurz vor Schluss abbrechen. Bei ihm wird ein Glioblastom, ein bösartiger Hirntumor, diagnostiziert. Er muss sich jetzt erst einmal um sich selbst sorgen. Operation, Therapie. Ans Filmemachen ist nicht zu denken. Die Premiere des Gardosch-Films muss zunächst verschoben werden. Aber – trotz aller widrigen Umstände – gelingt es Max Kronawitter u.a. mit Hilfe seiner Familie das Herzensprojekt doch noch fertigzustellen und das bewegende 90-min-Porträt über Peter Gardosch zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz im ausverkauften Kino City-Atelier in München vorzustellen. Ein Film gegen das Vergessen – sehens- und bedenkenswert!
Der Film ist (digital oder als DVD) erhältlich unter https://Ikarus-film.de
„Ikarus-Filmproduktion“, Max Kronawitter, 82547 Happergerstr. 5 in 82547 Eurasburg