geschrieben von GKP
Die Leiterin des Kirchenpavillons, Martina Baur-Schäfer (Mitte), freute sich über den Besuch der GKP-Mitglieder und informierte über das Konzept eines niederschwelligen pastoralen Angebots in der Bonner Innenstadt. Foto: Christiane Limberg
Trotz aller katholischer Dominanz in der ehemaligen Hauptstadt: Bonn präsentiert auch von evangelischer Seite ein attraktives Angebot. Davon konnten sich Mitglieder der Region Rheinland im Kirchenpavillon beim Gespräch mit dessen Leiterin Martina Baur-Schäfer überzeugen.
Der attraktive puristische Pavillon-Neubau mit den riesigen durchsichtigen Glasfenstern wurde – ermöglicht durch viele großzügige Spenden – vor einem Jahr eingeweiht und liegt mitten in der Bonner Innenstadt auf dem Gelände der Kreuzkirche am Kaiserplatz. „Das Stabile, Solide und Schmucklose passt zu uns“, meint die Diplom-Pädagogin, die als einzige Hauptamtliche mit Ehrenamtlichen sowie einem ausgegliederten professionellen Catering-Betreiber zusammenarbeitet. 1980 war der Kirchenpavillon, damals noch an anderer Stelle in der Innenstadt, bundesweit das erste Kirchencafé. Viele Städte zeigten daraufhin Interesse an dieser niederschwelligen Citypastoral, die Bonner konnten bald zahlreichen weiteren Einrichtungen beratend zur Seite stehen. „An manchen Tagen können wir bei uns in zwei Stunden 70 Besucher zählen“, freut sich Martina Baur-Schäfer. „Studenten, junge Paare mit Kindern, Obdachlose, psychisch Kranke, Menschen mit Migrationsgeschichte, Trauernde – alle sind als Gäste willkommen. Nur Betrunkene haben bei uns keinen Zutritt.“
Während das Café-Bistro sich mit einem Angebot regionaler Küche an die Besucher wendet, kümmern sich Baur-Schäfer und ihr Team um das seelische Wohl ihrer Gäste. Montag bis Samstag stehen zwischen 10 und 18 Uhr immer Mitarbeiter zum Gespräch über Gott und die Welt bereit. Kleinere Gruppen können sich zum „Sprich Ma(h)l“ über lebenspraktische und religiöse Themen treffen, donnerstags wird im „Stillen Mahl“ die klösterliche Tradition der Tischlesung aufgegriffen. Einmal pro Woche können sich Besucher von der Sozialberatung helfen lassen, alle zwei Wochen gibt es ohne lange Wartezeiten die Möglichkeit zu einem Erstgespräch mit erfahrenen Fachkräften der evangelischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Jugend-, Ehe- und Lebensfragen. Mittwochs um 12 Uhr wird mit einem Glockenschlag der Alltag für einen 5-Minuten-Impuls unterbrochen.
Neben der Speisekarte finden Besucher derzeit einen kupferfarbenen Flyer auf ihren Tischen mit dem Titel „Fürchtet euch nicht!“ Mit wenigen Worten wird das aktuelle Jahresthema vorgestellt und zu weiteren Interaktionen aufgefordert. An einem Podest finden Interessenten Klappkarten mit der Frage „Wofür hätten Sie gerne Mut?“ Stifte liegen bereit, und wer sich angesprochen fühlt, kann seine Gedanken gleich zu Papier bringen und für andere zum Lesen aufstellen. Wer möchte, kann sich am Ausgang noch eine kleine Karte mit einer Frage zum Jahresthema mit nach Hause nehmen – 52 Fragen für jede Woche des Jahres wie etwa: „Kann man Mut auch mal bereuen?“, „Welche Entscheidung von mir war wirklich mutig?“, „Wer war mutiger – Maria oder Josef?“
Der Kirchenpavillon besitzt einen separaten, schlichten und zugleich stilvoll gestalteten Raum, eine der offiziellen Kircheneintritts-Stellen der evangelischen Kirche. „2015 gab es in Bonn 55 Eintritte, 46 davon bei uns im Kirchenpavillon“, berichtet Baur-Schäfer. Erstaunlicherweise stammten die meisten aus der Altersgruppe der 20- bis 40-Jährigen, etwa ein Drittel sei zuvor katholisch gewesen. Baur-Schäfer kann anhand exakt dokumentierter Zahlenkurven nachweisen, dass sich Ereignisse in der katholischen Kirche unmittelbar auch auf die evangelische Kirche auswirken. Der Missbrauchsskandal etwa hätte zu mehr Eintritten in die evangelische Kirche geführt – oft noch am gleichen Tag des Austritts bei den Katholiken. Aber auch die Wahl von Papst Franziskus als neuem Hoffnungsträger der katholischen Kirche hätte den Protestanten spürbar Aufwind gebracht. Als Grund für ihren Kircheneintritt nennen die meisten: Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft und den Wunsch nach spiritueller Heimat.