geschrieben von Karin Wollschläger
„Wir müssen auch mal wieder etwas positiver auf unseren Beruf schauen und raus aus dem Untergangsszenario“, mahnte Henning Rasche, Leitender Redakteur Reportagen und Longreads der Rheinischen Post, beim Symposium am 9. Oktober von GKP und ifp zum Thema „Lokaljournalismus unter Druck – Welche Zukunft er hat und warum wir ihn weiterhin brauchen“ in München. Die Fachtagung stellte sich den Herausforderungen, die die Branche im aktuellen Transformationsprozess umtreiben, zeigte aber auch eine Reihe von praxisnahen positiven Ansätzen, die zeigen: Ein Ende des qualitätsorientierten Lokaljournalismus ist kein zwangsläufiges Schicksal.

Dr. Christian-Mathias Wellbrock von der Hamburg Media School stellte die Studie “Wüstenradar“ zur Entwicklung der Lokalpresse vor. Trotz aller Ausdünnung und Verlagszusammenschlüssen gibt es demnach in Deutschland noch keine Lokaljournalismus-Wüsten. Anders als in den USA, wo sich der Studie zufolge zeigt: Fällt Lokaljournalismus weg, leidet die Demokratie. Die Wahlbeteiligung gehe zurück, politische Polarisierung nehme zu, so Wellbrock.

Er empfahl lokalen Medienanbietern, „Plattformen für lokale Kommunikationsräume“ anzubieten und dabei lokale „Creators“ einzubinden, die beispielsweise erfolgreiche Blogs, Insta-Accounts oder ähnliches anbieten, in denen lokale Themen aufgegriffen werden. Wichtig ist dabei – so zeigte sich auch in der Plenumsdiskussion – , die Qualitätssicherung zu wahren. Zudem könnten medienpolitische einige Stellschrauben verändert werden, um Lokaljournalismus zu fördern, wie etwa Mehrwertsteuersenkung, Produktions- und Innovationsförderung sowie Medienkompetenzförderung, damit wieder die Wertschätzung für hochwertigen Journalismus steige. „Aber das ist natürlich das ganz große Rad, das man da drehen muss“, räumte Wellbrock ein.
Barbara Witte von der Hochschule Bremen führte aus, dass die Gatekeeper-Funktion von Zeitungen, Zugang für Akteure zur allgemeinen Öffentlichkeit zu schaffen, erkennbar rückläufig sei. Es sei zu beobachten, dass die Akteure stattdessen ihre Öffentlichkeitsarbeit ausbauten und jenseits der Lokalpresse den Weg in die Öffentlichkeit suchten. „Aber in dem Moment, wo ich keine Wächter mehr habe, passiert etwas mit der Gesellschaft“, warnte die Professorin für Rundfunkjournalismus und Onlinekommunikation. Sie ist Mitautorin der Studie „Öffentlichkeit ohne Journalismus? Rollenverschiebungen im lokalen Raum“ (2024).
In den Werkstatt-Gesprächen gaben Anna Stommel, Mitglied der Chefredaktion des Südkuriers, Ulrike Heidenreich, Ressortleiterin München, Region und Bayern der Süddeutschen Zeitung, und Robert Sterner, Geschäftsführer von Radio TOP FM, praxisnahe Einblicke in die laufenden Transformationsprozesse. Es zeigte sich: Wirtschaftlichkeit ist etwas, das auch in den Köpfen von Redakteurinnen und Redakteuren verankert werden muss. Alte Zöpfe müssen abgeschnitten werden, um Raum für neue Entwicklungen zu haben. Gerade bei Service-Angeboten gilt: Ist das wirklich etwas, was der User auf den Seiten der Lokalzeitung sucht – oder eh anderswo im Internet oder via ChatGPT? Nicht zuletzt ist eine gute Kommunikation von Veränderungen unabdingbar.

Ronja Straub, Chefredakteurin und Geschäftsführerin von „Kolumna“, stellte das von ihr mitgegründete digitale Nachrichtenmagazin vor, das in Lindau als wachsende Alternative zur Lokalzeitung angeboten wird. Daniel Heinze berichtete vom Leipzig-Podcast „Heldenstadt“, der aus einem lokalen Blog erwachsen ist, den er einst mit einem Freund ins Leben rief. Inzwischen gibt es eine Kooperation mit der örtlichen Leipziger Volkszeitung. Er zeigte auf, welche unterschiedlichen Vorteile solch eine Kooperation für beide Seiten bringt, wie aber auch die Unabhängigkeit gewahrt bleiben muss.