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Darf Satire alles? – Ein Zwischenruf von Hildegard Mathies

| 3 min Lesezeit

geschrieben von GKP

Die Medien- und Empörungswellen schlagen hoch. Auf der einen Seite, weil das Satire-Magazin Titanic Papst Benedikt XVI. auf seinem aktuellen Cover zum Thema Vatileaks und auf der Heftrückseite mit Urin- und Kotflecken auf der Soutane zeigt. Unter der Überschrift “Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden” setzen die altbekannten Provokateure einmal mehr darauf, bei einem Kirchenthema unter die Gürtellinie zu zielen. Als Verkaufsanreiz und Chance, einmal wieder ins Gespräch zu kommen und in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Kritiker empören sich über die menschenverachtende Darstellung des Kirchenoberhaupts.

Auf der anderen Seite schlagen die Wellen hoch, weil das Hamburger Landgericht die weitere Verbreitung des Magazins mit eben diesem Titel untersagt hat. Auch wenn sich der Titel natürlich nicht mehr wirklich aus dem Internet entfernen lässt und damit zugänglich bleibt. Und auch wenn die schon ausgelieferten Hefte bislang noch vertrieben werden dürfen: der Aufschrei, der das Ende der Meinungs- und Pressefreiheit gekommen sieht, ist schon zu vernehmen. Und natürlich ist auch das Wort “Inquisition” schon gefallen. Es wird immer mit besonderem Genuss verwendet, war Papst Benedikt als Kardinal Ratzinger doch jahrelang der Chef jener Vatikanbehörde, welche im weiteren Sinne die Nachfolgebehörde der Inquisition ist: der Glaubenskongregation. Der Streit zwischen Vatikan und Verlag scheint noch längst nicht zu Ende, denn nun hat Titanic rechtliche Schritte gegen die rechtlichen Schritte des Vatikans angekündigt beziehungsweise eingeleitet.

Wieder einmal stellen sich die Fragen: Wie weit darf Satire gehen? Darf Satire alles? Was muss, was sollte man als Kirche beziehungsweise religiöse Institution oder als Person des öffentlichen Lebens hinnehmen?

Die GKP hat sich in den vergangenen Jahren nur selten zu solchen Streitfällen geäußert. In der Regel vertreten wir den Standpunkt, dass es klüger und souveräner ist, solch oft pennälerhaften und niveaulosen Machwerken durch öffentliche Stellungnahmen und Diskussionen keine zusätzliche Aufmerksamkeit zu bescheren. Aber man muss auch ernst nehmen, wenn Menschen sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen oder wenn die Würde eines Menschen verletzt wird.

Eben dies hat gute Satire nicht nötig. Unbestritten ist: Satire muss sehr viel dürfen – nicht alles, aber sehr viel. Sonst kann sie nicht als Mahner, Weckruf, Provokateur im guten Sinne und bisweilen sogar demokratisches Korrektiv funktionieren. Dabei darf es auch keinen gesellschaftlichen, politischen, religiösen oder sonstigen Lebensbereich geben, der tabuisiert wird. Geschmacklos und entwürdigend sollte Satire bei aller Freiheit aber nie sein. Gute Satire kommt mit anderen Mitteln aus, sie muss weder unter die Gürtellinie zielen, noch Menschen verachtende Darstellungen wählen, sie muss keine religiösen Gefühle verletzen und niemanden diskriminieren oder herabwürdigen.

Wie auch immer der Streit zwischen dem Vatikan und Titanic weitergeht – der Gewinner steht leider schon jetzt fest. Titanic hat genau das erreicht, was die Macher wollen: tagelange Schlagzeilen quer durch die ganze Republik, internationale Aufmerksamkeit und für die nächste Zeit gesteigertes Interesse an ihrem Blatt. Das übrigens eine Abo-Auflage von nur rund 20 000 Exemplaren hat und nach eigenen Angaben insgesamt über 99 000 Ausgaben verkauft. Und nicht wenige Meinungsführer werden reflexhaft und einschlägig einstimmen in die sich nun ausbreitende Diskussion, ob der Papst sich gegen solche Veröffentlichungen wehren darf und dass die Kirche vermeintlich “wieder einmal” ihre Macht missbraucht. Nein, man muss nicht alles hinnehmen, sich nicht alles gefallen lassen. Die Frage ist nur,  welcher Schaden am Ende größer ist. Aber vermutlich kann man als Betroffener ohnehin bestenfalls nur das kleinere Übel wählen.