geschrieben von GKP
Beim Festakt zum 25-jährigen Jubiläum des Kölner Domradios sagte die frühere Bundesbildungsministerin und Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan (CDU): „Katholischer Journalismus geht den Verengungsgeschichten in Kirche und Welt nach, klärt auf und weitet den Blick wider die Konfrontation.“ Sie forderte Mut zur offenen Rede. Katholischer Journalismus brauche den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen.
Foto: Laurence Chaperon (https://annette-schavan.de/)
Welche Bedeutung hat Katholischer Journalismus?
Impuls zu 25 Jahre DOMRADIO am 29. August 2025
Journalismus im Kontext des Katholizismus weitet den Blick.
Wie komme ich zu dieser Behauptung?
Die Weltkirche ist präsent auf allen Kontinenten – wachsend in Asien und Afrika, schrumpfend in Europa. Sie hat Erfahrungen mit der Vielfalt der Kulturen und mit zahlreichen Prozessen der Inkulturation. Papst Franziskus hat es so gesagt: „Die Kirche hat am Pfingsttag begonnen. An diesem Tag hat sie sich für kulturelle Vielfalt entschieden.“ Deshalb kann sie Global Player genannt werden. Deshalb ist sie ein Unikat.
Sie ist nicht Teil eines politischen Bündnisses, hat also keine Bündnispflichten und eignet sich wie niemand sonst zu Vermittlung und Brückenbau. Sie durchdringt Kulturen und nimmt von ihnen auf, was ihr hilft, die Botschaft zu verkünden, Zeugnis zu geben und zu verstehen, was geschieht.
Das II. Vatikanische Konzil hat von „den Zeichen der Zeit“ gesprochen. Der Katholizismus schafft sich keine eigene Welt. Er durchdringt die Welt. Das geht nur, wenn Zeichen der Zeit erkannt und die heutige fundamentale globale Veränderung verstanden werden. Manche sprechen von Zeitenwende. Wie immer wir benennen, was sich gerade ereignet, unübersehbar ist: Konfrontationen nehmen rasant zu, der Rückfall in Nationalismen ist gleichsam der Mainstream, Autokraten versetzen die Welt in Angst und Schrecken, und die Zahl der Regionen, in denen brutale Gewalt herrscht, nimmt zu. Die Verengungsgeschichten sind offenkundig und zutiefst beunruhigend.
Katholischer Journalismus geht den Verengungsgeschichten in Kirche und Welt nach, klärt auf, weitet den Blick wider die Konfrontation und die zunehmende Neigung, die eigene Welt für die alleinig relevante Welt zu halten, ebenso wie das eigene Denken für das alleinig richtige Denken zu halten. Weiter Blick – das tut not und es gehört zur DNA des Christentums und der Weltkirche.
Das wird beeindruckend deutlich in den Texten im Neuen Testament, die von den Begegnungen Jesu mit Menschen handeln – der Frau am Jakobsbrunnen, dem reichen Mann, der Ehebrecherin, dem Zöllner Zachäus. Alle Gespräche verlaufen anders, als erwartet. Jesus zeigt eine neue Dynamik im Leben derer auf, die er trifft. Was bislang war, wirkt eng gegenüber dem, was sich auftut und möglich wird.
Davon eine Ahnung zu geben, das ist ein wichtiger Dienst der Christenheit heute in einer Welt, die immer enger wird. Das ist auch Journalismus von seiner besten Seite.
Journalismus – auch katholischer – ist dem Gemeinwohl verpflichtet.
Ein Hinweis auf das Gemeinwohl wirkt lapidar, nahezu banal. Auf was denn sonst, wenn nicht das Gemeinwohl…? Das Wohl, an dem der Frieden in einer Gesellschaft hängt und das schleichend verschwindet, wenn immer mehr Blasen entstehen, in denen an eigenen Welten gezimmert wird, eigene Blickwinkel absolut gesetzt und eigene Interessen vor dem Wohl aller stehen.
Das hat zugenommen. Es wirkt so, als folgte auf die konsequente Individualisierung nun die Blasenbildung. In den Blasen werden schon erreichte Konsense und gemeinsam entwickelte Regelwerke in unseren Gesellschaften und in der globalen Welt nicht mehr geachtet. Sie werden zerstört. Ein dramatisches Beispiel dafür ist das Völkerrecht.
Es ist manches Mal für die Akteure im Journalismus nicht einfach, wirklich verlässliche Informationen zu bekommen, sich ein Bild über die Realität und nicht vor allem über einzelne Interessen zu machen. Der Blick für das, was auf allen politischen und auch kirchlichen Ebenen das Gemeinsame, das Fundament und das Wohl aller ausmacht, gewinnt an Bedeutung.
Konfrontationen nehmen auch in den Religionen zu. Umso mehr dies geschieht, umso weniger können Religionen ihrer zentralen Aufgabe gerecht werden, Friedensstifter zu sein.
Katholischer Journalismus bracht Parrhesia
Wenn Konfrontationen zunehmen und das Gemeinwohl aus dem Blick gerät, wächst die Bedeutung der Parrhesia – der Freimut der Rede, der Mut, die Wahrheit zu sagen. Das ist seit der Antike ein zentraler ethisch-politischer Impuls. Michel Foucault sagt es so: „In Parrhesia verwendet der Sprecher seine Freiheit und wählt Offenheit statt Überzeugungskraft, Wahrheit statt Lüge oder Schweigen, das Risiko des Todes statt Lebensqualität und Sicherheit, Kritik anstelle von Schmeichelei sowie moralische Pflicht anstelle von Eigeninteresse und moralischer Apathie.“
In Zeiten alltäglicher Fake News bekommen wir eine Vorstellung davon, welche zivilisatorische Kraft in der Parrhesia steckt. Und angesichts vieler Journalistinnen und Journalisten, die weltweit in Gefängnissen sitzen, weil Autokraten die Wahrheit nicht vertragen, ahnen wir, wie gefährlich es ist, den Freimut der Rede zu wagen.
Was ich sage, ist nicht spezifisch katholischer Journalismus. Es gehört aber auch dazu, zumal zu allen Zeiten – auch heute – der Wille zu Konfrontationen, zur Blasenbildung, zu Aggression und Realitätsverdrehung auch in der Christenheit präsent sind (Patriarch Kyrills Rede vom „heiligen Krieg“, Neo-Integralismus u.a.)
Herzlichen Glückwunsch!
Nun will ich Ihnen das Herz nicht schwer machen. Aber ja, Journalismus und katholischer Journalismus allemal ist anspruchsvoll! Daran geht kein Weg vorbei. Er hat Einfluss und kann prägen. Er soll klären und aufklären. Er darf es sich und anderen nicht leicht machen. Er sieht sich sehr verschiedenen Erwartungen gegenüber. Und jetzt, wo gleichsam jeder seinen eigenen Kanal aufmachen und sich den Fragen anderer entziehen kann, wird der Alltag nicht leichter, die Wahrheitsfindung sehr viel schwerer und die Neigung mancher größer, niemandem mehr zuhören zu wollen.
Das Team von Domradio hat es in den 25 Jahren gut gemacht – unaufgeregt und engagiert, international und mit Sinn für die Weltkirche. Dazu gratuliere ich Ihnen von Herzen und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, inspirierende Momente in Ihrem beruflichen Alltag und Gottes reichen Segen.
Veröffentlichung mit freundlicher Zustimmung der Rednerin.