Aus den GKP-Informationen

Ärger über Corona-Berichterstattung

| 3 min Lesezeit

geschrieben von Carolin Kronenburg

In der Rubrik „Zu meinem Ärger“ im Juni-Heft der GKP-Informationen schreibt Barbara Wiegard, Pressesprecherin im Berliner Büro von MISEREOR:

Worüber haben Sie sich zuletzt in den Medien so richtig geärgert?

Auch wenn in Krisenzeiten die Tendenz zur nationalen oder gar regionalen Verengung der Nachrichten vielleicht verständlich ist, bin ich mittlerweile genervt von zahllosen Berichten über sinkende COVID-Fallzahlen in Würselen und Hygienekonzepte in Sachsen. Es wird häufiger über Demonstrationen von 50 Verschwörungstheoretikern in Berlin berichtet, als über die Bewältigung der Pandemie in anderen europäischen Ländern, natürlich mit Ausnahme der Corona-Hotspots, wie Italien. Vielmehr würde mich interessieren, wie es den Menschen in den osteuropäischen Ländern, wie Polen, Ungarn oder Litauen geht oder wie es Griechenland und Portugal erfolgreich geschafft haben, trotz des notwendigen Schuldenabbaus in den vergangenen Jahren die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dass in Europa die Grenzen zur Pandemie-Eindämmung geschlossen werden musste, war schmerzhaft, wenn auch wichtig. Die Medien hätten aber durch einen breiteren Fokus vermocht, die Nähe zu den europäischen Nachbarn gerade in dieser Zeit wieder herzustellen.

Katastrophen sind die Stunde der Exekutive – aber rechtfertigte das bereits die Frage, ob Angela Merkel möglicherweise doch noch über das Ende der Legislaturperiode hinaus als Kanzlerin im Amt verbleiben werde? Die Auftritte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beim aktuellen Pandemie-Briefing als Versuche hinzustellen, im Kampf um den Kanzlersessel zu punkten, muteten peinlich an. Medien sollten nicht nur kritisch sein, sondern sie kommen nicht umhin, auch selbstkritisch zu sein.

An welcher journalistischen Leistung konnten Sie sich jüngst erfreuen?

Homeoffice bedingt zu Hause, komme ich wieder dazu, den Deutschlandfunk zu hören. Wo es normalerweise gerade für Nachrichten und Presseschau am Morgen gereicht hat, höre ich den DLF jetzt beim häufigen Kochen und Spülmaschine ausräumen. Und ich bin begeistert von den kritischen Interviews, die mit Sachkenntnis geführt werden, den Debatten mit interessant ausgewählten Gästen oder der absolut großartigen Kulturpresseschau am Sonntagmorgen. Wiederentdeckt habe ich die Sendung „Klassik-Pop-etcetera“ am Samstag, die mein Vater früher immer im Auto gehört hat. Wenn wir längst wieder zu Hause waren, blieb er im Auto in der dunklen Garage sitzen, um sie in Ruhe zu Ende zu hören. Da es viele Audio Beiträge in der DLF-Mediathek und als Podcast zu hören gibt, hoffe ich, diese Gewohnheit in die Post-Corona-Ära hinüberretten zu können und den Weg zur Arbeit zum Zuhören zu nutzen.

Wie reagieren Sie Ihren Ärger ab?

Ich schimpfe gerne, auch oft laut alleine vor mich hin, lieber aber mit anderen gemeinsam. Vor allem Gespräche und Diskussionen im Freundeskreis oder mit den Kolleginnen und Kollegen auf dem Flur über gute und langweilige Filme, schlechte Artikel oder Talkshows vom Vorabend helfen beim „Verarbeiten“. Mein Ärger legt sich durch die anderen Blickwinkel dann schnell wieder.